Links- und rechts-händige 3D-gedruckte Mikropartikel bewegen sich unterschiedlich in Flüssigkeitsströmungen

06.11.2023

Eine internationale Kollaboration angeführt von Andreas Zöttl von der Universität Wien zeigte wie sich Mikroteilchen aus dem 3D-Drucker in Scherflüssen bewegen. | Neue Publikation in "PNAS".

In der Natur sind viele kleine Teilchen chiral: Deren Form sieht unter einem Spiegel betrachtet anders aus als das Original, egal wie man sie dreht und wendet. Wichtige Beispiele sind helixfömige DNA-Stränge, Bakterien, oder sogenannte cholesterische Flüssigkristalle, welche alle entweder links- oder rechtshändig sind. Mit der “Nanoscribe” 3D-Drucker Technologie konnten die beteiligten Wissenschafter künstliche chirale Mikroteilchen von unterschiedlicher Form und Händigkeit erzeugen. Diese ähneln der Form von Bakterien bestehend aus einem kugelförmigen “Kopf” und einem helixförmigen “Schwanz”.

Wenn Teilchen in eine Flüssigkeitsströmung kommen, werden sie im Fluss transportiert, und sie drehen sich auch. Die wegweisende Arbeit von Jeffery aus dem Jahr 1922 hat gezeigt, dass die Orientierung kleiner nicht-chiraler Teilchen wie zB von Kugeln oder Stäbchen in sogenannten Scherflüssen periodisch in der Zeit oszilliert. Francesca Tesser vom ESPCI Paris hat nun zum ersten mal Experimente mit chiralen Mikroteilchen aus dem 3D-Drucker durchgeführt und ein völlig anderes Verhalten beobachtet: Im Gegensatz zu nicht-chiralen Teilchen steigt oder fällt die Amplitude nun mit der Zeit. Interessanterweise werden die Teilchen nun entweder zur linken oder zur rechten Seite von der Strömungsrichtung aus betrachtet stabilisiert, abhängig von ihrer anfänglichen Orientierung und von ihrer Händigkeit. Des weiteren ist diese Stabilisierung asymmetrisch, das heißt es gibt eine größere Wahrscheinlichkeit dass das Teilchen am Ende entweder nach links oder nach rechts zeigt, abhängig von der Anfangsorientierung. Die Wissenschafter beobachteten auch ein dynamisches “Flippen” der Teilchenorientierung von der linken zur rechten Seite für linkshändige Teilchen, und von der rechten zur linken Seite für rechtshändige Teilchen. Dieses Flippen existiert nicht für nicht-chirale Teilchen.

Andreas Zöttl von der Universität Wien, welcher das dazugehörige theoretische Model entwickelt hat und darauf aufbauend Computersimulationen gemacht hat, erklärt die auftretende händigkeits-abhängige Bistabilität mit zwei wichtigen Faktoren: Erstens, theoretische Rechnungen können erklären, dass sich links- und rechts-händige Teilchen genau gegenteilig von der stabilen und periodischen Jeffery-Lösung wegbewegen. Dazu wird die Chiralität mithilfe einer “chiralen Stärke” quantifiziert. Die exakten Werte der chiralen Stärke der Teilchen wurde mithilfe weiterer Computersimulationen bestimmt, durchgeführt von Daiki Matsunaga von der Universität Osaka (Japan). Zweitens, der Umstand dass die Dichte des Teilchen-Kopfes ein bisschen dichter als der des Schwanzes ist, lässt die Teilchen unter Einfluss der Schwerkraft im Mittel etwas nach Kopf-unten drehen. Die Kombination beider Faktoren erklärt dann die auftretende asymmetrische Bistabilität der Teilchenorientierung.

Die klaren experimentellen Messungen und das genaue theoretische Modell ermöglicht den Wissenschaftern eine perfekte Übereinstimmung von Experiment und Theorie. Die vorliegende Arbeit, welche nun in PNAS erschienen ist, ist die erste Beobachtung der komplizierten Oszillationsdynamik von chiralen Teilchen in Scherflüssen. Des weiteren ist die Arbeit relevant für viele mikroskopische Transportprozesse in Strömungen, wie für Bakterientransport in Blutkanälen, oder für Teilcheen-Sortierung in Mikrofluidik-Chips.

Publikation in PNAS

Asymmetric bistability of chiral particle orientation in viscous shear flows
Andreas Zöttl, Francesca Tesser, Daiki Matsunaga, Justine Laurent, Olivia du Roure, and Anke Lindner
Proceedings of the National Academy of Sciences U.S.A.120 (45) e2310939120 (2023)
https://doi.org/10.1073/pnas.2310939120


Homepage Andreas Zöttl

Top: Different 3D-printed microparticles.

Middle: Fast oscillation dynamics in shear flow.

Bottom: Snapshots of maximum oscillation amplitudes, shown every 5 oscillation periods. (© Andreas Zöttl)