Mechanismus zur Speicherung elektrischer Energie entschlüsselt

31.01.2017

Österreichisch-deutsches Forscherteam entwickelt neue Mess- und Analysemethode und macht damit den Mechanismus der Ladungsspeicherung in Superkondensatoren erstmals sichtbar.

Gibt man Kochsalz in Wasser, so entstehen Ionen, also positiv und negativ geladene Atome. Unter dem Einfluss einer elektrischen Spannung bewegen sich diese zu entgegengesetzt geladenen Elektroden und speichern damit elektrische Energie. Dieser Vorgang entspricht dem Prozess beim Laden eines Superkondensators. Die Ionen bewegen sich dabei in den winzigen, mit Wassermolekülen gefüllten Poren der Kohlenstoffelektroden. Die Poren sind nicht viel größer als ein, zwei Ionendurchmesser und in einem komplexen Netzwerk miteinander verbunden. In einer derartig beengten Umgebung lässt sich zwar besonders viel elektrische Energie speichern, der Transport und somit die Geschwindigkeit des Ladens und Entladens kann aber aufgrund gegenseitiger Behinderung, ähnlich eines Verkehrsstaus, eingeschränkt werden. Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern unter Federführung des Institutes für Physik der Montanuniversität Leoben und unter Beteiligung der Universität Wien, der Technischen Universität Graz und dem Institut für Neue Materialien in Saarbrücken, Deutschland, hat nun neue Wege zum besseren Verständnis dieser Phänomene aufgezeigt. Mit einer Kombination aus Röntgenstreuexperimenten und atomistischen Computersimulationen konnten oben beschriebene Vorgänge erstmals auf atomarer Ebene sichtbar gemacht und neue Möglichkeiten hin zu optimierten Elektrodenmaterialien aufgezeigt werden.

Wie funktioniert die Energiespeicherung?

Die effiziente und schnelle Speicherung von elektrischer Energie spielt eine entscheidende Rolle für ein nachhaltiges Energiemanagement basierend auf grünen Technologien. Dies trifft sowohl für neue Formen der Energieerzeugung als auch für die E-Mobilität oder die Mikroelektronik zu. Superkondensatoren sind moderne Energiespeicher, welche im Vergleich zu Batterien viel schneller und öfter ge- und entladen werden können. Obwohl im prinzipiellen Aufbau einer Batterie nicht unähnlich, basiert die Speicherung der elektrischen Energie auf einem rein physikalischen Prinzip: Ionen im Elektrolyten und Elektronen bzw. Löcher in der Elektrode ziehen sich an der Grenzfläche zwischen Elektrode und Elektrolyt elektrostatisch an und ermöglichen so die Speicherung von elektrischer Energie. Um möglichst viel Energie an der Grenzfläche zu speichern, bestehen Elektroden von Superkondensatoren daher aus hochporösem Kohlenstoff, welcher pro Gramm des Materials eine unvorstellbar große Oberfläche von mehreren Tausend Quadratmetern aufweist. Die winzigen Poren innerhalb des Kohlenstoffs sind dabei mit weniger als einem Millionstel Millimeter kaum größer als die Ionen selbst. Mit herkömmlichen elektrochemischen Untersuchungsmethoden können nur sehr beschränkt Aussagen über den Transport und die Anordnung der Ionen in den nanometergroßen Poren getroffen werden.

Neuartige Kombination von Experiment und Simulation

Für ihren völlig neuen experimentellen Ansatz nutzten die Forscher die hochintensive Röntgenstrahlung der TU Graz Beamline am Synchrotron ELETTRA in Triest, Italien. Um auf die Vorgänge im Inneren des Elektrodenmaterials in-situ, das heißt während des Ladens und Entladens des Superkondensators, zu blicken, wird jede Sekunde ein Bild der an den Atomen und Molekülen gestreuten Röntgenstrahlen aufgenommen. Diese Bilder beinhalten im Prinzip Informationen über die genaue Anordnung der Ionen in der Probe. Allerdings ist das System derart komplex, dass eine direkte Analyse der räumlichen Anordnung praktisch unmöglich ist. "Daher haben wir eine atomistische Simulation entwickelt, die die gemessenen Daten quantitativ erklärt. Im Computer wird die Struktur einer porösen Kohlenstoffelektrode 'nachgebaut' und dann mit Ionen befüllt. Mittels eines Monte Carlo Algorithmus werden dann die bevorzugten Aufenthaltsorte der Ionen bestimmt. Daraus kann dann ein simuliertes Streubild berechnet und mit den experimentell erhaltenen Streubildern verglichen werden. Solche Simulationen wurden für verschiedene Ladungszustände des Systems gemacht und damit die Positionen der Ionen während des Lade- und Entladevorgangs verfolgt," erläutert Dr. Markus Hartmann, Wissenschaftler an der computergestützten Physik der Fakultät für Physik an der Universität Wien, der an der Entwicklung der Simulation beteiligt war. Mithilfe der neuen Methode zur Datenanalyse konnte der grundlegende Mechanismus der ionischen Ladungsspeicherung erstmals experimentell verifiziert werden. Interessanterweise erfolgt die Ladungsspeicherung gerade dort am effektivsten, wo eine Pore dem Ion eigentlich am wenigsten Platz bietet. Wassermoleküle, die jedes Ion in wässriger Lösung normalerweise "mit sich schleppt", werden dabei abgestreift, um auch in den allerkleinsten Poren Platz zu finden. Indirekt können dadurch Voraussagen über die optimale Porengeometrie der Kohlenstoffelektrode getroffen werden. Über diese erstmals direkt experimentell nachgewiesenen Phänomene berichten die Forscher aktuell im Fachblatt "Nature Energy".

Obwohl Lithium-Ionen-Akkus höhere Energiedichten aufweisen, stellen Superkondensatoren überall dort eine echte Alternative dar, wo besonders hohe Leistungen, d. h. extrem schnelle Lade- und Entladezeiten gefragt sind. Die neu entwickelte Mess- und Analysemethode sowie die daraus gewonnenen Erkenntnisse könnten mittelfristig auch für eine Vielzahl verwandter Technologien, wie etwa der kapazitiven Meerwasserentsalzung oder für Batterien, von großer Bedeutung sein.

Weitere Informationen


Kontakt an der Universität Wien: Priv. Doz. Dr. Markus Hartmann (markus.hartmann@univie.ac.at)

Die Studie C. Prehal, C. Koczwara, N. Jäckel, A. Schreiber, M. Burian, H. Amenitsch, M. A. Hartmann, V. Presser and O. Paris, Quantification of ion confinement and desolvation in nanoporous carbon supercapacitors with modelling and in situ X-ray scattering. Nat. Energy 2, 16215 (2017) ist am 30.01.2017 im Fachmagazin Nature Energy erschienen.

Link zur Online Version: dx.doi.org/10.1038/nenergy.2016.215

Read-only online Version des Artikels